„The Zone of Interest“ ist ein eindrucksvoller, verstörender Film, der den Holocaust aus einer Perspektive zeigt, die selten beleuchtet wird – aus Sicht der Täter, eingebettet in die scheinbare Banalität des Alltags. Regisseur Jonathan Glazer inszeniert ein beklemmendes Porträt einer deutschen Familie, die direkt neben dem Konzentrationslager Auschwitz lebt, ohne dass das Grauen jemals explizit gezeigt werden muss. Der Film basiert lose auf dem gleichnamigen Roman von Martin Amis und entfaltet eine stille, aber umso eindringlichere Kritik an Verdrängung, Mitläufertum und der Normalisierung des Unmenschlichen.
Handlung: Der Schrecken nebenan
Im Mittelpunkt steht Rudolf Höß, Lagerkommandant von Auschwitz, der mit seiner Familie in einem idyllischen Haus direkt neben dem Vernichtungslager wohnt. Die Familie lebt in einem gepflegten Garten, es wird gelacht, gespielt, Gäste werden empfangen – während hinter der Mauer Tag für Tag systematischer Massenmord geschieht. Glazer zeigt konsequent, wie grausame Verbrechen ausgeblendet, ignoriert oder als Teil einer funktionierenden Ordnung gerechtfertigt werden.
Die Kamera bleibt auf Distanz, beobachtet die familiären Routinen: das Frühstück im Garten, Spaziergänge, Gespräche über Karrierechancen. Die Schreie, Schüsse und das stetige Dröhnen der Gaskammern sind kaum wahrnehmbar, aber konstant präsent – akustisch und atmosphärisch. Der Kontrast zwischen der scheinbaren Normalität und dem unsichtbaren Schrecken macht den Film so beunruhigend.
Ästhetik und Erzählweise
Jonathan Glazer verzichtet auf klassische Dramaturgie. Stattdessen nutzt er statische Einstellungen, subtile Sounddesigns und lange, ruhige Szenen, um die erschreckende Gleichgültigkeit zu porträtieren. Die visuelle Kälte und die distanzierte Perspektive verstärken die Unmenschlichkeit der Figuren, ohne plakativ zu sein. Der Film zwingt das Publikum, mitzudenken und sich selbst mit unbequemen Fragen zu konfrontieren: Wie viel Mitwissen braucht es, um mitschuldig zu sein? Wo beginnt moralische Verantwortung?
Rezeption und Bedeutung
„The Zone of Interest“ wurde von Kritikern international gefeiert und erhielt unter anderem den Grand Prix bei den Filmfestspielen von Cannes. Der Film ist ein wichtiger Beitrag zum Holocaust-Gedenken, da er nicht das Opferleid in den Mittelpunkt stellt, sondern die Mechanismen der Verdrängung und die erschreckende Banalität des Bösen. Er zeigt, wie Menschen inmitten unfassbarer Verbrechen leben können, ohne sich moralisch betroffen zu fühlen – und mahnt damit auch heutige Gesellschaften zur Wachsamkeit.
Darsteller und Produktionsdaten
- Regie: Jonathan Glazer
- Drehbuch: Jonathan Glazer (nach dem Roman von Martin Amis)
- Produktion: James Wilson, Ewa Puszczyńska
- Musik: Mica Levi
- Kamera: Łukasz Żal
- Schnitt: Paul Watts
- Hauptdarsteller:
- Christian Friedel als Rudolf Höß
- Sandra Hüller als Hedwig Höß
- Freya Kreutzkam, Johann Karthaus, Nele Ahrensmeier
- Produktionsland: Großbritannien, Polen
- Originalsprache: Deutsch
- Erscheinungsjahr: 2023
- Laufzeit: ca. 105 Minuten